GFK – Gewaltfreie Kommunikation

Was ist Gewaltfreie Kommunikation?

‚Worte können Mauern sein – oder Fenster.‘ Dieser Ausspruch ist der von Marshall B. Rosenberg entwickelten Gewaltfreien Kommunikation entlehnt. Der US-Amerikaner wurde bereits in seiner Kindheit unmittelbarer Zeuge der blutigen Rassenkrawalle in seiner Heimatstadt Detroit und entwickelte früh ein Gespür dafür, wie Worte Verletzungen und Leid verursachen – sowohl bei uns selbst, als auch bei anderen.

Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg

Als promovierter klinischer Psychologe erforschte er später die Rolle der Sprache und des Gebrauchs von Wörtern in Konflikten, wobei ihn vor allem sein Lehrer Carl Rogers – Wegbereiter der klientenzentrierten Gesprächstherapie – sowie die Schriften von Mahatma Gandhi beeinflussten.

Dass Empathie in Konfliktsituationen eine Schlüsselrolle spielt, hat Rosenberg in der Friedensarbeit und den von ihm initiierten Anti-Rassismusprojekten wiederholt festgestellt. Die Fähigkeit, eine einfühlsame Verbindung zu sich selbst und zu anderen aufzunehmen, steckt seiner Meinung nach in jedem Menschen. Unsere Sprache und Streitkultur mit ihren typischen Ausprägungen von Angriff, Drohung, Verteidigung und Rückzug habe aber zu einer Entfremdung des natürlichen Einfühlungsvermögens geführt. Rosenberg hält dieses Verhalten für erlernt. Entsprechend glaubt er, dass es mittels einer anderen Art der Kommunikation möglich ist, wieder zu den Wurzeln zurückzukehren.

Rosenberg ist überzeugt, dass die Art und Weise des Sprechens eine entscheidende Rolle bei unserer Fähigkeit spielt, einfühlsam zu bleiben. Der bewusste Umgang mit Sprache ist demnach der Schlüssel dazu, wieder mit unserem natürlichen Einfühlungsvermögen in Kontakt zu kommen und die zwischenmenschliche Kommunikation friedfertiger zu gestalten: Weg von Wertungen, Kritik und Schuldzuweisungen – hin zu Wertschätzung und Mitgefühl.

Eine weitere Grundannahme Rosenbergs: Konflikte entstehen immer dann, wenn wichtige menschliche Bedürfnisse unerfüllt sind. Zu diesen Bedürfnissen zählen neben Nahrung, Unterkunft und Sicherheit auch Mitgefühl und Wertschätzung – ebenso wie Zugehörigkeit, Harmonie und Autonomie. Werden die Bedürfnisse der Konfliktparteien in angemessener Weise angesprochen und berücksichtigt, so sind Konflikte auch lösbar.

Von diesem Gedanken geleitet, entwickelte Rosenberg schließlich das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation mit seinem so genannten Vier-Schritte-Modell:

Beobachtungen schildern (statt zu deuten)
Zunächst geht es lediglich darum, Beobachtungen wiederzugeben. Was hat man in der Situation, wegen der man sein Gegenüber anspricht, gesehen, gehört oder auch vermisst? Jegliche Bewertungen, Interpretationen wie auch Verallgemeinerungen (‚Regelmäßig werden mir von Ihnen wichtige Informationen vorenthalten!‘) sind dabei zu vermeiden. Ansonsten verringert sich die Chance, dass unsere darin enthaltenen Bedürfnisse auch wahrgenommen werden und dass auch wir die Bedürfnisse des anderen wahrnehmen.

Die eigenen Gefühle mitteilen (statt interpretierende Gedanken mitzuteilen)
Im zweiten Schritt gilt es, die eigenen Gefühle, die die Beobachtung hervorgerufen hat, mitzuteilen (z.B. ‚Ich bin verärgert.‘). Die Kunst besteht dabei darin, zwischen Gefühlen einerseits und Gedanken bzw. Wahrnehmungen andererseits zu unterscheiden. Eine Aussage wie ‚Ich fühle mich übergangen‘ bezeichnet Rosenberg als Pseudogefühl, denn es macht den anderen für die eigene Befindlichkeit verantwortlich und kommt einer Beschuldigung gleich. Die eigenen Gefühle haben aber immer nur mit mir selbst zu tun haben, nicht mit anderen.

Bedürfnisse formulieren (statt Strategien zur Bedürfniserfüllung anzuwenden)
Als nächstes sollte man seinem Gegenüber mitteilen, welches konkrete Bedürfnis hinter dem zuvor geäußerten Gefühl steht (‚Ich wünsche mir einen zügigen und direkten Informationsfluss, um mein eigenes Arbeitspensum besser planen zu können.‘).

Eine Bitte äußern (statt zu fordern)
Last but not least geht es darum, dem Gesprächspartner mitzuteilen, was dieser konkret tun kann, damit das eigene Bedürfnis erfüllt wird bzw. man diesem ein Stück näher kommen kann. Dies sollte immer als Bitte, nie als Forderung formuliert werden – um damit dem Gesprächspartner echte Entscheidungsfreiheit einräumen und seine Autonomie zu respektieren (‚Ich möchte Sie bitten, mich beim Mittagessen über den aktuellen Projektstand zu informieren.‘). Wichtig auch: Die Bitte sollte sich im Hier und Jetzt erfüllen lassen und nicht auf Handlungen in der Zukunft zielen. Empathie zum Gesprächspartner lässt sich letztlich auch nur in der aktuellen Situation aufbauen.

Marshall Rosenberg fasst das Vier-Schritte-Modell in folgendem Satz zusammen: ‚Wenn a, dann fühle ich mich b, weil ich c brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne d.’So simpel die Gewaltfreie Kommunikation mit ihrem Vier-Schritte-Modell zunächst auch erscheint, ihr Einsatz in der Praxis ist es ganz und gar nicht. Die Kommunikation wird zunächst einmal enorm verlangsamt, denn die eigenen Worte wollen wohl überlegt sein. In einer bereits emotional aufgeladenen Gesprächssituation ist die Gefahr umso größer, in den Automatismus alter Muster wie Wertungen und Beschuldigungen zu verfallen. Umgekehrt kann ein allzu dogmatisches Festhalten am Vier-Schritte-Modell auch geradezu kontraproduktiv sein, weil es gekünstelt wirkt und beim Gesprächspartner erst recht Abwehrreaktionen hervorruft.Rosenberg versteht sein Modell dann auch weniger als stur anzuwendende Gesprächstechnik, sondern vielmehr als Hilfestellung, seinem Gesprächspartner mit einem höheren Grad an Selbsterkenntnis und Empathie zu begegnen und dabei ‚intensiv nach innen und außen zu hören‘.

Rosenbergs Konzept der Gewaltfreien Kommunikation hat sich inzwischen weltweit verbreitet. Es kommt in Schulen als Maßnahme zur Gewaltprävention unter Schülern ebenso zum Einsatz wie in politischen Krisenregionen Palästinas oder Ruandas. 1994 haben serbische Pädagoginnen und Psychologen – unterstützt von Unicef – ein dreibändiges Werk zum Erlernen gewaltfreier Kommunikation nach Rosenbergs Methode für Kindergärten und Schulen entwickelt.

Quelle: managerSeminare